Die «letzte Rechnung» für gewisse Betriebe


Am 30. November wird die Freiburger Stimmbevölkerung über die Einführung eines kantonalen Mindestlohns entscheiden. So verlockend das Ziel dieser Massnahme auf den ersten Blick erscheinen mag, in gewissen Branchen ruft sie erhebliche Sorgen hervor – etwa in der Reinigungsbranche, im Detailhandel oder im Gastgewerbe. Vor allem Letzteres warnt vor einer weiteren Schwächung ohnehin bereits fragiler Strukturen. Erläuterungen dazu von Philippe Roschy, Präsident von GastroFribourg.

Welche konkreten Auswirkungen hätte diese Initiative für Ihre Mitglieder?

Die Betriebe unserer Branche operieren bereits mit sehr geringen Margen. Heute machen die Löhne etwa 42 Prozent des Umsatzes aus. Sollte der Mindestlohn die in unserem Gesamtarbeitsvertrag geregelten Lohnsätze übersteigen, könnten viele Unternehmen einfach nicht mehr Schritt halten. Dies würde das ohnehin bereits fragile wirtschaftliche Gleichgewicht vieler Betriebe gefährden.

Man denkt oft an die grossen Gast­ stättenketten. Aber was ist mit den kleinen Betrieben?

Die Ketten haben die Mittel, diese Kosten zu absorbieren. Das ist bei kleinen Quartiercafés oder Dorfrestaurants nicht der Fall. Um das Weiterbestehen zu sichern, müssten einige dieser Betriebe entweder ihre Preise erhöhen oder Personal abbauen, was sie zusätzlich schwächen würde, zumal viele bereits heute ums Überleben kämpfen.

In Ihrer Branche sind auch junge Menschen, Lernende sowie Umsteiger und Umsteigerinnen beschäftigt. Inwiefern wären sie davon betroffen?

Unser Gesamtarbeitsvertrag sieht Ausnahmen für diese Personenprofile vor, die an die Rahmenbedingungen der Branche angepasst sind. Ein einheitlicher Mindestlohn würde ihre Chancen auf den Berufseinstieg einschränken.

Haben Sie bereits Rückmeldungen aus der Basis erhalten?

Ja. Einige Mitglieder berichten uns, dass sie zögern, neue Mitarbeitende einzustellen, da sie befürchten, die damit einhergehenden künftigen Belastungen nicht stemmen zu können. Dies führt zu mehr Druck auf die bestehenden Teams, zu erhöhter Belastung und teilweise zu einer Beeinträchtigung der Servicequalität. Diese Initiative würde dieses Problem nur noch verschärfen.

Steigende Kosten führen oft zu Preiserhöhungen. Wie weit kann man gehen, ohne Kundschaft zu verlieren?

Es ist schwierig, einen Schwellenwert anzugeben. In den letzten Jahren haben uns die gestiegenen Kosten (Energie, Rohstoffe usw.) bereits zu Preiserhöhungen gezwungen, da wir sie nicht auffangen konnten, ohne Verluste zu erleiden. Aber auch die Kundschaft ist von der Inflation betroffen. Eine weitere Preiserhöhung, um dieser Initiative entgegenzuwirken, würde daher zweifellos zu einem Kundenverlust führen. Für viele Betriebe könnte dies leider eine Erhöhung zu viel sein.

Einige Betriebe bieten bereits gute Bedingungen. Würden sie ebenfalls benachteiligt?

Ja. Gerade diejenigen, die ohne äusseren Druck Anstrengungen unternommen haben, ihre Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern, wären speziell betroffen. Sie haben nicht zwingend den Spielraum, noch weiterzugehen. Anstatt bewährte Praktiken zu fördern, würde man sie in Schwierigkeiten bringen.

Abschliessend noch ein Wort zur Sozialpartnerschaft: Welche Auswirkungen hätte ein kantonaler Mindestlohn?

Unser landesweiter Gesamtarbeitsvertrag besteht seit über 50 Jahren. Er ist das Ergebnis eines stetigen Dialogs zwischen den Sozialpartnern. Ein rigider staatlicher Eingriff könnte dieses Gleichgewicht gefährden. Damit würde ein ganzes System geschwächt, das auf Vertrauen und Anpassungsbereitschaft basiert.

Welche Botschaft möchten Sie den Freiburger Stimmberechtigten mitgeben?

Wir sind nicht gegen die Idee eines Mindestlohns, in unserer Branche gibt es schon seit langem verbindliche Mindestlöhne. Wir plädieren jedoch dafür, den Gesamtarbeitsverträgen Vorrang einzuräumen, da sie die branchen- und regionsspezifischen Gegebenheiten berücksichtigen und regelmässig an die Konjunkturlage angepasst werden. Man kann nicht alles verallgemeinern. In unserem Fall bietet der Gesamtarbeitsvertrag bereits einen soliden Schutz (13. Monatslohn, fünf Wochen Ferien, Feiertage). Ein kantonaler Mindestlohn würde sowohl kleine Unternehmen als auch die Berufsausbildung und die Sozialpartnerschaft gefährden.

Nein zum Mindestlohn

Auf den ersten Blick verlockend, birgt der Mindestlohn zahlreiche Risiken. Sechs Argumente zeigen, warum er die Freiburger Wirtschaft ernsthaft gefährdet.

1. Der Mindestlohn gefährdet Arbeitsplätze

Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns erhöht die Lohnkosten. Für KMU und Branchen mit engen Margen – etwa Gastronomie, Reinigungsdienste oder der Detailhandel – ist diese Mehrbelastung kaum tragbar. Sie führt unweigerlich zu Stellenabbau oder zur verstärkten Automatisierung einfacher Tätigkeiten.

2. Der Mindestlohn erschwert die Anstellung weniger qualifizierter Personen

Junge Menschen, Teilzeitbeschäftigte oder Personen mit geringer Qualifikation wären die ersten Verlierer. Angesichts der zusätzlichen Kosten würden viele Arbeitgebende zögern, diesen Menschen eine Chance zu geben. Damit wird der Zugang zum Arbeitsmarkt gerade für jene erschwert, die ihn am dringendsten brauchen.

3. Der Mindestlohn schwächt die Berufsbildung

Wenn eine ungelernte Tätigkeit fast gleich viel einbringt wie eine Ausbildung, verliert die Lehre an Reiz. Dieses falsche Signal gefährdet das duale Bildungssystem, das eine zentrale Säule der Freiburger Wirtschaft darstellt. Ohne gut ausgebildete Nachwuchskräfte stehen die Unternehmen langfristig vor grossen Herausforderungen.

4. Der Mindestlohn schafft mehr Bürokratie

Ein gesetzlicher Mindestlohn bedeutet zusätzliche Kontrollen und administrative Auflagen. Statt zu innovieren oder ihre Kundschaft zu bedienen, müssen sich Unternehmen mit bürokratischen Anforderungen auseinandersetzen. Das geht zulasten ihrer Agilität und Innovationskraft – insbesondere bei kleinen Betrieben.

5. Der Mindestlohn schwächt die Sozialpartnerschaft

Das Schweizer Modell basiert auf Gesamtarbeitsverträgen, die innerhalb der Branchen zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt werden. Dieses bewährte und flexible System funktioniert gut. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde die Sozialpartner marginalisieren und eine starre Einheitslösung durchsetzen, die den unterschiedlichen Branchenrealitäten nicht gerecht wird.

6. Der Mindestlohn schadet der Wettbewerbsfähigkeit

Ein solcher Eingriff verursacht Mehrkosten, die besonders für bereits belastete Sektoren gravierende Folgen haben. Die schwächsten Unternehmen müssten ihre Aktivitäten einschränken oder ganz einstellen. Damit verliert der Kanton wertvolle Arbeitsplätze, wirtschaftliche Vielfalt und Innovationskraft – ein Risiko, das wir uns nicht leisten können.